Interview mit Robin Reuschel

Zukunftsfähiges Messer-Design

Worin sehen Sie die Herausforderungen, denen sich ein zukunftsfähiges Messer-Design stellen muss?
Zuerst wäre da Innovation. Messer gehören zu den ältesten Werkzeugen in der Küche und in den letzten tausend Jahren hat sich das Küchenmesser kaum verändert. Unser Lebensstil, unsere Werte und die Anwendung in der Küche hingegen schon. Niemand hat Lust, vor dem Kochen jedes Mal das Messer schärfen zu müssen – deshalb sollte die Klinge wie aus Magie einfach immer scharf sein. Wir haben uns der Herausforderung gestellt, die traditionelle Solinger Messerkunst mit den Anforderungen des Lebens im 21. Jahrhundert zu verbinden: höchste Qualität und traditionelle Handwerkskunst mit innovativen Technologien und nachhaltigen Materialien.
Nachhaltigkeit ist ein gutes Stichwort. Wir sind der Überzeugung, dass wenige, hochwertige Messer für die Umwelt besser sind als 100 Messer, die nach einem Jahr im Müll landen. Unsere Messer und Blöcke werden in Handarbeit lokal in der Klingenstadt Solingen hergestellt. Das spart Transportwege und garantiert höchste Qualität.
Aber natürlich muss auch das Design überzeugen. Offene Wohnküchen liegen im Trend. Die Küche ist der Raum des Beisammenseins und stets im Blick der Gäste. Deshalb ist es besonders wichtig, dass Messer und Block ein ästhetischer Blickfang sind, den man nicht verstecken muss.Das sind eine Reihe von Anforderungen an ein zukunftsfähiges Messer-Design. Ich finde, mit KLENG haben wir das schon sehr gut hinbekommen.

In welchen Design-Aspekten konnten Sie die Besonderheiten der handwerklichen Fertigung berücksichtigen?
Um ein Messer in höchster Qualität herzustellen, ist feinstes handwerkliches Geschick und liebevolle Hingabe ein absolutes Muss – vom Ausmachen des Griffs bis zum Handabzug der Klinge. Denn wenn man mit Naturprodukten wie Bambus arbeitet, ist jeder Griff ein wenig anders und erfordert langjährige Erfahrung, um das Beste aus jedem Unikat herauszuholen. Bei guten Köchen ist das ganz ähnlich: Jedes Lebensmittel ist wertvoll und auf seine Art einzigartig. Nur durch Hingabe und verantwortungsvollem Umgang mit den Lebensmitteln kann der Koch ein herausragendes Gericht kochen.
Ist es nun Kunst? Ist es Handwerk? Ich denke, es ist auf jeden Fall etwas Besonderes, wenn beides zusammenkommt.

Aus welchem Grund hat das Kriterium der Nachhaltigkeit einen so hohen Stellenwert in Ihrem Design?
Um Imran Amed zu zitieren: „Good design is sustainable design“. Bei Nachhaltigkeit geht es nicht nur um die Umwelt, sondern ebenso um soziale Verantwortung.
Die Wergwerf-Mentalität hat ausgedient und Verantwortung ist angesagt. Und zwar gegenüber der Natur, den Mitarbeitern und Kunden. In den 60er-Jahren hat man geglaubt, dass ein Produkt aus Plastik für immer hält. Heute wissen wir, dass dem so ist – zumindest wenn wir uns das Plastik in den Ozeanen einmal anschauen. Mit ihren Millionen von Plastikgriffen und den exklusiven Messergriffen aus Tropenhölzern ist die Klingenindustrie auch nicht ganz unschuldig. Design kann uns dabei helfen genau diese Probleme anzugehen.
Gutes, zeitloses, trendbefreites Design ist allein schon deswegen nachhaltig, weil so die Messer über Jahrzehnte und Generationen hinweg benutzt werden können. Das schont Ressourcen und auch den Geldbeutel der Kunden. Wer braucht eine Schublade voller Messer? 80 % der Schneidetätigkeiten lassen sich schon mit einem einzigen Messer erledigen – es muss nur scharf sein. Deshalb haben wir das Messer zu Ende gedacht und einen selbstschärfenden Messerblock entwickelt. So wird die Schneide vor jeder Koch-Session schonend nachpoliert. Das tut nicht nur den Nerven, sondern auch der Umwelt gut. Und die vollen Küchenschubladen gehören der Vergangenheit an.
Ein weiterer Aspekt sind natürlich die Materialien selbst: Mit unserem Spezial-Bambus ist eine umweltfreundliche Alternative zu den Standard-Griffen gefunden. Bambus ist eine echte Power-Pflanze. Er ist nicht nur die am schnellsten wachsende Pflanze der Welt, sondern besitzt als Faser-Bambus verarbeitet eine enorme Dichte und eine besondere Haptik. Dazu ist er besonders hart, CO2-neutral und sieht nebenbei noch besonders schick aus.
Mit gelungenem Design und handwerklicher Fertigung wollen wir mit unseren Messern die Verschmutzung durch Wegwerf-Produkte reduzieren und gleichzeitig die Stil-Ikone für verantwortungsvolle Küchenmesser sein.

Welche Trends und Entwicklungen sehen Sie aktuell in Ihrer Branche?
Die gesamte Schneidwarenbranche braucht dringend ein Umdenken. Produktionsverfahren, Materialien, Arbeitsbedingungen sind nur ein paar Beispiele, wo ich bei einigen Wettbewerbern noch Aufholbedarf sehe.
Design kann uns helfen, einige der wichtigsten und drängendsten Probleme der Branche anzugehen. Denn gut designte Produkte halten länger, sind freundlicher für unsere Umwelt und fördern idealerweise auch noch die lokale Wirtschaft. Das Potenzial ist enorm.
Ich denke, man sollte genau verstehen, wie die Produkte genutzt werden, wo die Schwachstellen sind, und dann eine elegante Lösung dafür finden. Man braucht Verständnis für Mensch und Umwelt. Stand früher noch das einzelne Produkt und dessen Gestaltung im Vordergrund, so geht es heute um den gesamten Prozess – die „User Journey“ angefangen von der Kommunikation über die Benutzung bis hin zum Recycling.
Ich bin froh darüber, dass auch die traditionelle Schneidwarenbranche anfängt, sich zu wandeln und Verantwortung für ihre Produkte übernimmt. Wir wollen mit KLENG hier einen großen Schritt nach vorne machen und Vorreiter dieser Entwicklung sein. Die Auszeichnung mit dem Red Dot: Best of the Best gibt uns Energie und Bestätigung, hier auf dem richtigen Weg zu sein. Vielleicht bewegt es auch weitere Unternehmen, mehr Verantwortung zu übernehmen.

Beitragsinfo

Dieses Interview entstand anlässlich der Auszeichnung reddot winner 2022 best of the best für das KLENG Chefmesser und wurde gekürzt im Red Dot Design Yearbook 2022/23 veröffentlicht.

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