Interview mit Klaus-Dieter Böse

Im Gespräch über berufliche Neuorientierung

Herr Böse, Sie unterstützten Menschen in beruflichen Veränderungen oder besonderen Herausforderungen. Wie läuft das ab?

Zunächst klären wir in einem unverbindlichen Erstgespräch, wo der Schuh drückt und wie ein Coaching weiterhelfen kann. Zu mir kommen häufig Führungskräfte, die sich Unterstützung wünschen. Aber auch Menschen, die ihren Job verloren haben oder mit ihrer jetzigen Arbeitssituation unglücklich sind. Das Bedürfnis, sich beruflich neu zu orientieren oder etwas zu verändern wird zunehmend stärker. Dann geht es darum herauszufinden, welche Veränderungen individuell Sinn machen und wie man diese am besten angeht. Sobald der Entschluss zum Coaching steht und zudem „die Chemie stimmt“, starten wir mit der Definition der individuellen Coaching-Ziele.

Was können Sie als Karriereberater und Business Coach bewirken?

Im Coaching zeichnet sich schnell ab, welche Bedürfnisse bislang unbeachtet blieben und zu einer Frustration im Job geführt haben. Sobald man sich dessen bewusst ist und sich auf die Erfüllung wichtiger Bedürfnisse fokussiert, zeigen sich im weiteren Verlauf des Coachings vielversprechende Lösungswege auf. Dabei agiere ich als unvoreingenommener Sparringpartner und unterstütze die Entwicklung und Entscheidungsfindung meiner Klienten. Sobald z. B. ein berufliches Ziel feststeht, beeindruckt es immer wieder, mit welchem Elan und Erfolg die Klienten ihre neuen Wege beschreiten.

Eine Karriereberatung wirkt also befreiend und motivierend?

Das stimmt. Es ist erschreckend, wie viele in einer unpassenden beruflichen Situation feststecken. Als systemischer Coach betrachte ich im Coaching alle beruflichen und privaten Aspekte. Meiner Erfahrung nach findet sich nur durch das Erkennen der systemischen Zusammenhänge eine ideale Lösung.

Im Berufsleben stellen viele Menschen ihre privaten Bedürfnisse zurück. Ist darin die Unzufriedenheit im Job begründet?

Klar, wer beruflich alles gibt und sich keinen Ausgleich im Privatleben gönnt, hat irgendwann keine Energie mehr. Die Akkus sind leer. Das hängt häufig auch mit einem zu hohen Anspruch an sich selbst zusammen. Die Vorstellung, wie man in einer bestimmten Position zu sein und was man zu leisten habe. Häufig rennen wir einem Ideal hinterher, das vielleicht gar nicht zu uns und unserem Leben passt.

Wie findet man heraus, welcher Job zu mir passt?

Indem man die eigene Persönlichkeit in all ihren Facetten kennenlernt. Während eines Coachings betrachten wir die Charaktermerkmale, Fähigkeiten, Interessen und Werte der betreffenden Person. Viele wissen gar nicht, welches Potenzial in ihnen schlummert. Basierend auf den Ergebnissen einer sehr guten Analyse-Methode eröffnen sich ihnen dann ganz neue Perspektiven. Zudem ändern sich die Lebensplanungen immer wieder. Wir reden nicht mehr über den Job für die nächsten 10, 20 Jahre. Wir reden über den Job und das Leben, das man die nächsten fünf Jahre leben möchte. In unserer schnelllebigen Zeit lässt sich die Karriere nicht mehr langfristig planen.

Mit welcher Methodik arbeiten Sie im Coaching besonders gern?

Ich bin begeistert von der Aussagekraft des Personality Profilers, der viel mehr bietet als herkömmliche Persönlichkeitstests, da er auf dem BIG 5-Modell basiert. Meine Klienten gewinnen mithilfe dieser wissenschaftlich fundierten Methode präzise Klarheit über ihre Stärken, Motive und Kompetenzen. Sie erlangen ein tiefes Selbstverständnis. Somit können die eigenen Verhaltensmuster leichter reflektiert und eingeordnet werden. Mit dieser Kenntnis der eigenen Persönlichkeit und im Austausch mit einem erfahrenen Coach gelingt nicht nur die berufliche Neuorientierung.

Muss es denn immer gleich eine berufliche Neuorientierung sein?

Nein, selbstverständlich werden auch Veränderungsoptionen wie ein klärendes Gespräch mit Vorgesetzten oder die Bewerbung auf eine andere Stelle entschlossener angegangen. Sobald man die eigenen Präferenzen, Ziele und Erwartungen genau kennt, lassen sich alle künftigen Entscheidungen schlüssig auf die individuelle Person ausrichten. Die Erkenntnisse, die man im Coaching gewinnt, wirken also nachhaltig auf alle Bereiche des Lebens. Wir alle sollten konsequent zu unserer Individualität stehen.

Darf man dies als klares Bekenntnis zur Diversität verstehen?

Ganz genau. In der Arbeitswelt wird häufig der Eindruck vermittelt, wir müssten alle gleich sein, ähnlich aussehen, gleich denken und handeln. Wir vergessen, wie unterschiedlich Menschen sind und sein können. Dabei haben wir eine so wunderbare Vielfalt in unserem Land. Davon profitieren Gesellschaft, Staat und Unternehmen.

Was sollte sich in Unternehmen verändern?

Eine Menge. Unternehmen stehen vor großen Herausforderungen und Führungskräfte müssen jetzt lernen, die Diversität in ihren Teams effektiv zu nutzen. Es geht um transformationale Führung, konkret die individuelle Berücksichtigung, intellektuelle Stimulation, inspirierende Motivation und den idealisierten Einfluss. Die Unternehmenskultur sollte Vielfalt im Team fördern, sodass Führungskräfte damit besser umgehen können. Im Business Coaching stellen sich oft folgende Fragen: Wie schaffen es Führungskräfte, Menschen in ungewissen Zeiten zu motivieren? Wodurch entsteht ein vertrauensvolles Miteinander? Und wie gelingt es Unternehmen, den Veränderungswillen und Veränderungsbereitschaft der Belegschaft zu fördern und zu begleiten?

Wie lautet Ihre Empfehlung in dieser Herausforderung?

Im stetigen Wandel hat sich die beidhändige Führung bewährt, die sich flexibel auf neue Anforderungen anpassen lässt. Denn nicht immer ist agil die richtige Methode. Welche Führungsmethode besser funktioniert, hängt von der Arbeitssituation ab. Die Produktion hat andere Anforderungen (Nullfehler) als die operative Arbeit (schnelle kundenspezifische Lösungen). Somit muss die Führungskraft entscheiden, welche Methode richtig ist. Als Führungskraft muss man heutzutage schnell und flexibel auf veränderte Rahmenbedingungen reagieren können. Zudem sollten Führungskräfte die eigenverantwortliche Handlungsbereitschaft fördern. Doch um diesen Führungsstil zu verinnerlichen, müssen Sie sich auf ein ungewohntes Mindset einlassen und Ihre Führungsrolle neu definieren. Führungskräfte müssen sich als Teil des Teams begreifen.

Wie äußert sich ein transformationaler Führungsstil im Arbeitsalltag?

Durch eine konstruktive Kommunikation, die konstant auf die aktuelle Situation eingeht und Transparenz für alle Beteiligten schafft. Dieser Führungsstil ist immer in den Bereichen sinnvoll, wo sich das Umfeld schnell verändert. Transformationale Führung setzt zugleich auf eine individuelle Berücksichtigung, intellektuelle Stimulation, inspirierende Motivation und einen idealisierenden Einfluss. Übergeordnetes Ziel ist es, die Entscheidungen und Aktionen schnell, flexibel und bedarfsgerecht zu gestalten.

Welchen Prinzipien folgt der transformationale Führungsstil?

Prinzipiell sollte mit wenig direkter Führung jedoch mittels effektiver Kommunikation Vertrauen und stabile Beziehungen aufgebaut werden. Es geht beim transformationalen Führungsstil darum, handlungsfähige Mitarbeiter und Teams aufzubauen, die tragfähige Entscheidungen treffen können.

Warum ist die Vertrauensbasis so wichtig für Teams?

Wer einander vertraut, erreicht gemeinsame Ziele. Im Fachjargon sprechen wir von psychologischer Sicherheit – die gemeinsame Überzeugung aller Teammitglieder, dass man sich ohne Risiko auf Ablehnung und Geringschätzung einbringen kann. Vertrauen ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für das Entstehen von psychologischer Sicherheit. Nur so werden neue Ideen angstfrei geäußert, wird Neues gewagt und aus Fehlern gelernt.

Als Business Coach arbeiten Sie intensiv mit Führungskräften. Um welche Themen geht es dabei?

Bei Führungskräften steht oft die Rollenklarheit im Fokus, damit meine ich die Klarheit über die eigenen Aufgaben und Verantwortungen. Viele Klienten stehen durch Beförderung oder Arbeitgeberwechsel vor neuen Aufgaben. Im Onboarding-Coaching „Die ersten 100 Tage im neuen Job“ betrachten wir die zu bewältigende Führungsaufgabe und legen das Rollenverständnis fest. Ich unterstütze meine Klienten bei der Reflexion ihres Führungsverhaltens. Wir vergleichen Fremd- und Selbstwahrnehmung, finden Lösungsansätze und definieren die nächsten Schritte. Häufig geht es auch um Konfliktsituationen wie schwierige Mitarbeitergespräche. Wir erarbeiten und trainieren Gesprächsstrategien, die Führungskräfte stärken.

Herzlichen Dank für das inspirierende Gespräch!

Info-Box

Dieses Interview erschien 2022 als Bestandteil eines Expertenprofis im Fachbuch „Coaching in Deutschland“, herausgegeben von Werner Müller Infoline Berlin.

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