Regisseur Hans Steinbichler im Interview

Dem in Hittenkirchen aufgewachsenen Hans Steinbichler gelang mit seinem preisgekrönten Debütfilm „Hierankl“ der Durchbruch. Im Mai 2006 konnte er den Adolf-Grimme-Preis entgegennehmen. Nun kommt sein zweiter Spielfilm „Winterreise“ in die Kinos (u.a. ins Utopia, Wasserburg). Die Geschichte eines gescheiterten Unternehmers lebt von der kraftvollen Präsenz des Josef Bierbichler in der Hauptrolle. Seine bajuwarische Urgewalt steht provokant im Kontrast zu Hanna Schygulla und Sibel Kekilli. Kompromisslose Verzweiflung wechselt sich ab mit stillen poetischen Momenten. Die traumhaften Landschaftsaufnahmen, untermalt von der melancholischen Musik Franz Schuberts, sind unter anderem in Wasserburg entstanden. Im Interview mit den ROSENHEIMER NACHRICHTEN verriet Steinbichler weitere Details.

„Winterreise“ ist Ihre zweite Regiearbeit nach „Hierankl“, gibt es Parallelen?

Steinbichler: Für mich war es natürlich eine ganz große Frage, welcher Film nun folgen sollte. Hierankl spielt ja im Chiemgau, quasi direkt vor der Haustür meines Elternhauses. Da hab ich also auf meine Füße geschaut und bin dann mit Winterreise einen Schritt weiter gegangen. In dem Sinne gibt es nicht unbedingt Parallelen in eigentlichen Sinne, aber meine Liebe zu Charakteren und zum bayerischen Dialekt drückt sich in beiden Filmen aus.

Sie bauen nicht nur mit Hauptdarsteller Josef Bierbichler, sondern auch mit Ihrer Kamerafrau Bella Halben auf das Hierankl-Erfolgsteam. Was bedeutet diese enge Zusammenarbeit für Sie?

Steinbichler: Ganz viel. Die Kamera ist mit das Wichtigste. Man hat ja als Regisseur bereits Bilder im Kopf und weiß genau, was man will. Bella Halben und ich entwickeln daher die Bildsprache gemeinsam und es spart enorm viel Zeit, wenn man sich darin so einig ist. Regiearbeit ist für mich vor allem Bild- und Schauspielarbeit.

Apropos. Hanna Schygulla ist eine Schauspiellegende. Wie ist es Ihnen gelungen, sie für eine eher im Schatten des Hauptdarstellers stehende Rolle zu gewinnen?

Steinbichler: Ja, das war wirklich nicht einfach! Hanna Schygulla spielt ja eine kranke gebrochene Frau. Das fordert einem älter gewordenen Filmstar, dem einmal die halbe Welt zu Füßen lag, natürlich eine Menge Mut ab. Letztendlich hat sie aber gerade die Zusammenarbeit mit Josef Bierbichler so gereizt, dass sie zum Glück zusagte.

Der Film besticht durch seine Landschaftsaufnahmen. Warum haben Sie sich neben Kenia ausgerechnet Wasserburg am Inn als Drehort ausgeguckt?

Steinbichler: Nun, diese Stadt, die ja durch die Innschleife begrenzt ist, steht im sinnfälligen Zusammenhang mit der Situation der Hauptfigur. Beide sind durch ihre natürlichen Gegebenheiten an ihre Grenzen gebracht. Daher wollte ich unbedingt in Wasserburg drehen und zwar so, dass man den Ort auch wirklich kennen lernen kann.

Das Drehbuch stammt diesmal nicht von Ihnen. Wovon fühlten Sie sich persönlich angesprochen?

Steinbichler: Drehbuchautor Martin Rauhaus hat sehr eindrücklich über seinen Vater geschrieben. Ich hatte dann vor allem den Wunsch, die Geschichte vom Sauerland nach Bayern zu verfrachten und diese extreme Vaterfigur durch Bierbichler aufleben zu lassen.

Der Filmtitel „Winterreise“ würdigt Franz Schuberts gleichnamigen Liederzyklus. Was leistet diese Musik für den Film?

Steinbichler: Schuberts Winterreise bedeutet mir seit meiner Kindheit wahnsinnig viel. Diese Musik untermalt nun wie ein „unterirdischer Fluss“ dass, was die Hauptfigur in Wahrheit bewegt. Der Film ist ja bereits auf einigen Filmfestivals gelaufen und ich wurde häufig begeistert auf die Musik angesprochen. Da bin ich besonders stolz drauf.

Der Film ist dennoch recht schwer verdaulich, Bierbichler poltert ja nur so durch die „Winterreise“. Welche Reise-Erfahrung möchten Sie den Zuschauern mit auf den Weg geben?

Steinbichler: Man kann in seinem Leben zu jeder Sekunde neu anfangen! Zwar habe ich kein ausgeprägtes Sendungsbewusstsein, aber wenn es eine Grundaussage gibt, dann die, dass es nie zu spät ist. Natürlich ist es kein „Feelgood-Movie“, aber die Winterreise findet ein gutes Ende. So würde es mich freuen, wenn viele den Film sehen, weil er echt viel geben kann.

Wir freuen uns drauf. Herr Steinbichler, wir danken herzlich für das Gespräch.

Interview: Bettina Laustroer

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